Drei Tage auf Martha's Vineyard

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Der 11te September 2001 war jener Tag, an dem zur Bombe umfunktionierte amerikanische Passagierflugzeuge das World-Trade-Center in New York in Schutt und Asche legten. Der 12te September 2001 war jener Tag, an dem ich in die Schweiz zum Urlaub fliegen wollte, um Aida und Tim's Hochzeit nachzufeiern. Wie jeder weiss, war nicht viel mit Fliegen an jenem Tag, und auch nicht an den darauffolgenden.

Nachdem sich die erste Bestürzung und Verwirrung gelegt und ich den Frust des verpatzten Urlaubs runtergeschluckte hatte, entschloss ich mich, das beste aus der Situation zu machen: ich buchte kurzerhand drei Tage Urlaub auf Martha's Vineyard, einer Insel bei Cape Cod, im Süden von Massachusetts. Martha's Vineyard ist durch die Eskapaden berühmter (oder nicht so berühmter) Personen, insbesondere der Kennedeys, bekannt geworden. Glücklicherweise ist es auch eine sehr schöne Insel, wie geschaffen zum Entspannen.

Ich kam im "Doctor's House" (www.doctorshouse.com) unter, welches von einem pensionierten Ehepaar geführt wird. Cathy und John Bondur geben sich viel Mühe, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Zu Beginn eröffnete mir Cathy, dass ich mich wie in ihre Familie aufgenommen fühlen sollte. Bilder des Schreckens erschienen in meiner Vorstellung, inklusive des gemeinsamen Morgengebets, aber nichts dergleichen stellte sich ein. Sie waren einfach sehr nett und liessen mich ansonsten in Ruhe.

Mein Bed & Breakfast Place lag in Vineyard Haven. Ich kam am Sonntag nachmittag an und suchte gleich den zum Ort gehörigen Strand auf. Leider war es um 5 Uhr nachmittags aufgrund des ungünstigen Sonnenstands bereits recht kühl, so dass ich den ersten richtigen Strandgang auf den nächsten Tag verlegte. Am Abend besuchte ich das Black Dog Restaurant (eine Empfehlung meiner Gastgeber) im Hafen von Vineyard Haven. Das Essen war gut, wahrscheinlich so gut, wie es in einem kleinen Ort auf einer so kleinen Insel sein kann.

Im Restaurant bekam ich eine erste Lektion in Gutgläubigkeit. Ich las einen Brief der "Mayo Health Clinic". In den U.S.A. gibt es Unmengen dieser kommerziellen Rundschreiben, die einem zu jedem möglichem und unmöglichem Thema Rat geben. In diesem Fall ging es um einfache Gesundheitstipps, die ich mir anschauen wollte. Die Kellnerin, jedenfalls, fragte mich prompt mit grossen Augen, ob ich denn ein Arzt sei. Aus Furcht, als naechstes ihren Fuss zwecks Kurieren von Huehneraugen auf dem Tisch zu haben, sagte ich nein. Schade, ich hätte mal ja sagen sollen, um zu sehen, ob etwas weiter passiert wäre.

Die zweite Lektion in Gutgläubigkeit erfolgte am nächsten Tag, wieder im Black Dog Restaurant. Ich hatte vor dem Restaurant gewartet, bis mein Platz frei wurde. Dabei durfte ich zwei Frauen beobachten (und belauschen), die sich über ihren Begleiter unterhielten, der wohl bald eintreffen würde. Sie nannten ihn James und rissen Witze über ihn. Anscheinen hatten sie ihn (oder er sie) am Tag am Strand aufgegabelt. Weniger später, als ich bereits im Restaurant Platz genommen hatte, wurden die beiden Frauen mit einem Begleiter an meinen Nebentisch geführt.

James hiess jetzt John und stellte sich als gut gekleidet und ein bisschen dröge heraus. Die drei veranstalteten ein Festessen. Die Auswahl ihres Vier-Gaenge-Menues erfolgte, soweit ich es verfolgen konnte, primär nach Preis: bestellt wurde nur das teuerste (und vermeintlich) beste. Insbesondere die beiden Frauen konnten sich kaum einkriegen. Da ich es mir zum Lesen bequem gemacht hatte, konnte ich auch den Verlauf des ganzen Geschehens mitverfolgen. Gegen Abschluss des Essens hin, als bereits die Rechnung auf dem Tisch lag, verabschiedeten sich die beiden Frauen nacheinander zur Toilette. Nachdem sie beide wieder zurückgekommen waren, stand auch John auf, um auf Toilette zu verschwinden, und, man halte sich fest, nicht wiederzukommen.

Seine beiden Begleiterin schienen zwei Prachtexemplare jener Frauen zu sein, vor denen mich meine Mutter nie gewarnt hat. Bedauerlich für sie, dass sie ihrem männlichen Pendant aufgessen waren. Sie zahlten knurrend, aber viel Mitleid habe ich nicht mit ihnen, trotz des trughaften James.

Es gibt noch viel zu berichten, zum Beispiel von den menschenleeren Stränden. Leider fehlt mir die Zeit, dies aufzuschreiben. Ansonsten hatte ich noch ein paar entspannte Tage auf Martha's Vineyard. Ausserordentlich empfehlenswert!

Dirk Riehle, September und Dezember 2001, Martha's Vineyard, MA.

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