Schwimmen in Zürich

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Schwimmen ist ein gesunder Sport. Er hält Leib und Seele zusammen und belastet, wenn man es richtig macht, auch nicht Knie, Rücken, oder andere wichtige Körperteile. Nur, was denkt man eigentlich auf den vielen Bahnen, die man im Laufe seiner Übungen so schwimmt?

Was andere denken, weiss ich nicht. Ich jedenfalls konzentriere mich meist weniger auf meinen Schwimmstil als dass ich über Gott und die Welt und insbesondere über meine lieben Mitschwimmer nachdenke. Ich schwimme in Zürich, sowohl im City Hallenbad als auch im Hallenbad Oerlikon. Beide Hallenbäder sind gross und bieten Raum für die unterschiedlichsten Schwimmtypen.

Am offenkundigsten ist jene Gruppe allerdings immer selten werdender Personen, die primär des Schwimmens wegen ins Hallenbad gehen. Hier gibt es zwei Typen: den Rückenschwimmer und den Kampfschwimmer. Die bevorzugte Position des Rückenschwimmers ist offenkundig die Rückenlage, jedenfalls solange, bis er mit einem gleichgesinnten entgegenkommenden Schwimmer zusammenstösst.

Spannend wird es, wenn ein Rückenschwimmer auf einen Kampfschwimmer trifft. Der grundsätzlich männliche Kampfschwimmer findet sich zumeist über Mittag im City Hallenbad ein, wenn sich die Banken zum Mittagessen leeren. Voll konzentriert, stellt für den Kampfschwimmer jedes Ausweichen einen metaphorischen Karriereknick dar. Nach erfolgter Kollision mit einem Rückenschwimmer oder anderem Kampfschwimmer wird entsprechend lauthals die Empörung kundgegluckst.

Bemerkenswert auch der unterschiedliche Duft von Frauen und Männern. Manche Männer scheinen genau einmal pro Woche mit Wasser in Berührung zu kommen, nämlich dann, wenn sie ins Hallenbad gehen. Entsprechend folgt ihnen ein Geruch von Bier, Zigaretten, und Tsatziki. Während aber manche Männer einfach nur übel riechen, stellen manche Frauen eine echte Gefahr für ihre Mitschwimmer da. Voll parfümiert hinterlassen sie eine dichte Nebelspur, in der schon manch Schwimmer unvermutet auftauchte und die Orientierung verlor. Um Luft ringend, ist die Kollision mit dem Beckenrand oder anderen Schwimmern vorprogrammiert.

Untern den Gruppenphänomenen sind zuerst die linienbewussten Schwimmer zu betrachten. Um Korrektheit bemüht, schwimmen diese professionellen Hobbyisten exakt gerade Bahnen, so dass sie möglichst wenig ausweichen müssen. Interessant wird es, wenn zwei solche Schwimmer auf derselben Bahn schwimmen. Wer war zuerst da? Wer beim entgegenkommen zuerst ausweicht, gesteht ein, sich unrechtmässig auf die Bahn des anderen Schwimmers begeben zu haben. Ein klassischer Show-down, wie ihn Hollywood nicht besser produzieren könnte.

Gefährlich wird es auch, wenn aus dem üblichen Chaos spontan eine Ordnung entsteht und sich eine Damenbrigade bildet. Eine Damenbrigade sind mehrere Frauen, die sich fröhlich unterhaltend nebeneinander herschwimmen. Da sie sich unerhalten, merken sie nicht, wie sie die Schwimmbahn blockieren. Entgegenkommende Schwimmer versuchen meist noch schnell auszweichen, was aber schwierig ist. Ganz mutige versuchen, unter der Damenbrigade durchzutauchen. Dies ist aber mit hohem Risiko versehen, weil sie entweder den Zorn der gestörten Brigade aufsichziehen oder inmitten der Aufschwimmunfälle landen, die sich wegen des Staus hinter der Damenbridgade ergeben.

Abschliessend ist festzuhalten, dass Schwimmen keineswegs der Sport der einsamen Denker ist, die wortlos ihre Bahnen schwimmen. Während der abendlichen Rush-hour findet man im Hallenbad Oerlikon meist mehr Schwimmer am Beckenrand stehen und sich unterhalten als im Becken schwimmen. Ich selbst verzweifele zwar, wenn ich nach Genuss ungestörten Schwimmens keinen Platz mehr zur Wende am Beckenrand finde, aber ich gehöre wohl zur aussterbenden Gattung des Einfach-nur-Schwimmers.

Dirk Riehle

Zürich, Oktober 1999

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